Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien, hat ein Faible für die Funktionsgewässer in seiner Nachbarschaft. Gern lädt er seine Bürger etwa zu einer Grabenwanderung zu Fuß ein und klärt unterwegs akribisch über die Bedeutung der Funktionsgewässer auf, die seiner Meinung nach noch immer viel zu sehr vernachlässigt werden.
Am 14. April 2019 wurde die Latte noch einmal ein Stück höher gelegt. Bei einer weiteren Exkursion ging es dieses Mal um das Thema „Auf den Spuren des Kanalbaus in Schönwalde“. Die Rede ist natürlich vom Havelkanal, der Schönwalde-Glien passiert und die Gemeinde sogar mit einer eigenen Schleuse aufwertet.
Auf Einladung des Bürgermeisters betraten Mitte April 150 Gäste den Dampfer „Havelland“ der Reederei Werner Triebler, um vom Spandauer Lindenufer aus die Schiffsreise bis hin zur Schleuse Schönwalde-Glien (und zurück) anzutreten. Unterwegs erfuhren die neugierigen Teilnehmer der Exkursion zahllose spannende Fakten über den Bau des Havelkanals.
Übrigens: Das Interesse an der Bootstour war so groß, dass alle Karten für die Veranstaltung des CDU-Gemeindeverbands Schönwalde-Glien in nur drei Tagen restlos veräußert waren. Dies gilt auch für eine zweite Wiederholungsfahrt im April. Nur zur dritten geplanten Fahrt am 8. September gibt es noch vereinzelte Karten.
Der Havelkanal, zu DDR-Zeiten auch als „Kanal des Friedens“ bezeichnet, wurde Anfang der 50er Jahre vom Ministerrat der DDR in Auftrag gegeben. Ziel war es, das märkische Wasserstraßennetz zu erweitern – und zwar so, dass die Schifffahrt West-Berlin umgehen konnte und auf dem Weg zwischen Elbe und Oder auch noch neun Kilometer Strecke sparte. Der Kanal wurde in den Jahren 51 und 52 innerhalb von nur 13 Monaten gebaut. Der Bereich vom Abzweig der Havel auf der Höhe von Nieder Neuendorf (Hennigsdorf) bis hin zur heutigen Schleuse in Schönwalde-Glien wurde in Trockenbauweise ausgeschachtet, während man auf der „anderen Seite“ das frühere Kanalbett des Brieselanger Entwässerungskanals und später den alten Hauptschifffahrtskanal Nauen-Paretz nutzen konnte.
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Bodo Oehme: „Würde man den Havelkanal in der heutigen Zeit noch einmal bauen, würde das wohl etwas länger dauern als nur 13 Monate, man denke da an den BER-Flughafen. Damals war der Bau übrigens ein echter Segen für Schönwalde-Glien – er brachte 1.500 neue Menschen in die Gemeinde, die den Kanalbau begleitet haben und anschließend oft auch gleich vor Ort geblieben sind. Auch mein Vater kam so nach Schönwalde. Es hieß, dass die Arbeiter so manche abendliche Tanzveranstaltung genutzt haben, um in Kontakt zu den Schönwalder Damen zu treten.“
Natürlich dachte man auch damals schon daran, dass man die Bürger der DDR vor dem Kapitalismus schützen musste. Eine Flucht über den „Kanal des Friedens“ in die Havel hinein und dann nach West-Berlin sollte unbedingt verhindert werden. Bodo Oehme: „Man erkennt es noch heute an der ungewohnt symmetrischen Vegetation mitten im Wasser: Man hat damals Lastschiffkähne mit Steinen beschwert und sie so in der Havelmündung des Kanals versenkt, dass Schiffe nicht in die falsche Richtung steuern konnten.“
Der Bau des Kanals gestaltete sich 1951 übrigens recht schwierig. Es fehlten – wie heute – Facharbeiter. Etwa, um die Bagger für die anfallenden Erdarbeiten zu bedienen. 16 Schwimmbagger und sieben Spüler kamen vor Ort zum Einsatz. Den Kanalaushub häufte man einfach am Rand des Kanals auf. Noch heute sind entsprechende „Berge“ im Schönwalder Gebiet zu finden. Bodo Oehme: „Hätte der damalige Kämmerer Düsterdick die in der Gemeindekasse vorhandenen 50.000 Ostmark mutig verwendet, so könnten wir jetzt übrigens einen eigenen Hafen direkt am Kanal haben. Ich wette, dass Schönwalde-Glien mit diesem Hafen eine ganz andere Entwicklung genommen hätte.“
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Am 28. Juni 1952 war der Kanal fertig. Ohne Vorbereitung, ohne Bodengutachten und ohne richtigen Plan hatte man einen Kanal mit Schleuse, Wehr, fünf Schöpfwerken, zwei Dükern und zehn Brücken gebaut. 49 Kilometer Deiche wurden aufgeschüttet und 60 Kilometer Gräben gegraben. 230 Millionen Kubikmeter Steine für das Anlegen der Uferböschung wurden verarbeitet. Man pflanzte 40.000 Bäume neu an, um den Sand der Deiche zu halten, sodass er nicht verweht wird. Bodo Oehme: „Das waren Pappeln, die wir inzwischen zum Großteil gegen Obstbäume ausgetauscht haben. Der Radweg neben dem Kanal gehört übrigens zu den meistbefahrenen Radwegen der Gemeinde. “
Ein großes Abenteuer war es, den neu gebauten Kanalabschnitt von der Havel bis hin zur Schleuse zu fluten. Drei Tage sollte dies nach den Berechnungen der Ingenieure dauern. Bodo Oehme: „Das Fluten dauerte aber nur drei Stunden, dabei sank der Pegel der Havel um einen satten halben Meter. Man war auf die Geschwindigkeit der Flutung nicht vorbereitet – so manche Lore stand noch im Kanal. Auch einen Brückenpfeiler riss es weg, weil die Brücke darüber noch nicht vollendet war.“
Die Schleuse in Schönwalde-Glien schafft es übrigens, eintreffende Schiffe um über zwei Meter anzuheben oder zu senken. Nach dem Mauerfall kam der Schleuse in Schönwalde aber nicht mehr die Bedeutung wie vorher zu – die Schifffahrt auf dem Kanal nimmt seitdem immer weiter ab.
Bodo Oehme: „Für die kommerziellen Transporte auf dem Wasser haben sich die Unternehmen andere Strecken gesucht, weil die Schönwalder Schleuse längst zu klein geworden ist. Inzwischen wird der Kanal vor allem von der Sportschifffahrt genutzt – und wurde 2012 vom deutschen Motoryachtverband zur wassersportfreundlichsten Schleuse im Land gekürt.“
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Im Havelkanal macht sich übrigens nicht nur der Biber breit, auch der Fischbestand ist sehr hoch, was so manchen Angler freut. Bodo Oehme: „Aal, Hecht, Zander, Wels, Waller, Quappe, Brasse, Rotfeder, Rotauge und Güster gibt es im Kanal. Von letzterem möchte ich allerdings abraten – zu viele Gräten.“
Und am Ende haut der Bürgermeister noch einen raus: „Die Falkenseer sollten schön aufpassen, wie sie mit uns Schönwaldern umgehen. Vom Havelkanal führt nämlich eine Seewasserleitung bis zum alten Falkenhagener See. 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser steuert Schönwalde-Glien pro Jahr dazu bei, damit der See nicht austrocknet. Jeder Versuch, für diese Leistung Geld zu bekommen, ist bislang allerdings gescheitert.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 158 (5/2019).
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Der Beitrag Der Kanal des Friedens: Die Geschichte des Havelkanals erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.