Der Verkehr auf unseren Straßen nimmt immer weiter zu. Damit gerade die kleinsten Verkehrsteilnehmer – die Kinder – optimal darauf vorbereitet werden, auf ihren Fahrrädern oder zu Fuß am Verkehr teilzunehmen, greifen auch hier verschiedene Maßnahmen der Verkehrsunfallprävention. So gibt es in der vierten Klasse eine überall im Havelland durchgeführte Fahrradprüfung.
Hier wird kontrolliert, ob die Räder der Schüler in Ordnung sind oder ob Mängel festzustellen sind. Bei der theoretischen und praktischen Radfahrprüfung wird auch überprüft, ob die Schüler das nötige Wissen haben, um sicher am Verkehr teilzunehmen.
Ab der 5. Klasse können die Kinder selbst zur Sicherheit beitragen – und Schülerlotsen werden. In diesem Fall kümmern sie sich darum, dass die anderen Schüler sicher über die Straße geführt werden und so unversehrt das Schulgebäude erreichen.
Die Sachbearbeiterin für Verkehrserziehung im Havelland ist Christina Geyer. Sie ist seit 1993 bei der Polizei. Bis 2001 war sie in der Bereitschaftspolizei am Standort Potsdam eingesetzt, später in der Operativen Fahndung im Landkreis Havelland beschäftigt. Seit April 2008 ist sie im Sachgebiet Prävention tätig.
„Kleiner Führerschein“: Die Fahrradprüfung in der 4. Klasse
Die Radfahrprüfung wird im gesamten Havelland in der 4. Klasse durchgeführt. Warum eigentlich ausgerechnet in der 4. Klasse?
Christina Geyer: „Bis sie acht Jahre alt sind, MÜSSEN Kinder auf dem Bürgersteig fahren. Bis 10 Jahre DÜRFEN sie das weiterhin so handhaben. Nach dem 10. Lebensjahr müssen sie aber den Radweg oder die Fahrbahn benutzen. Da ist es dann an der Zeit, ihnen die Regeln beizubringen, damit sie am Verkehr teilnehmen können.“
Es liegt in der Verantwortung der Schulen, den Kindern im Rahmen der „Mobilitäts- und Verkehrserziehung“ die Theorie beizubringen.
Wie bei der richtigen Führerscheinprüfung, so gibt es auch bei der Radfahrprüfung einen theoretischen Teil. Die Kinder erhalten hier einen Fragebogen wie in der Fahrschule ausgehändigt und müssen ankreuzen, wie verschiedene Verkehrssituationen zu bewerten sind.
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Christina Geyer: „Maximal 40 Punkte können die Kinder mit ihrem Prüfungsbogen erreichen. 30 Punkte sind mindestens zu erreichen. Ein Durchfallen ist möglich, aber es gibt eine Nachprüfung. Eine Zulassung zur praktischen Prüfung erfolgt erst, wenn man die Mindestanforderung erfüllt hat. Dann heißt es im besten Fall: ‚mit gutem Erfolg teilgenommen‘. Der Prüfungsbogen muss am Ende in der Schule wieder abgegeben werden, er kommt als wichtiges Dokument sogar in die Schülerakte.“
Die Polizei unterstützt die Schulen bei der praktischen Prüfung und sichert bei Erforderlichkeit die Prüfungsstrecke. Bevor die Kinder mit ihren Rädern auf den Parcours geschickt werden, kontrolliert die Polizei aber erst einmal, ob mit den Fahrrädern alles in Ordnung ist.
Christina Geyer: „Ich schaue, ob alle Räder Licht haben, ob die Bremsen funktionieren und ob sie für den öffentlichen Verkehr freigegeben werden können. Ist alles in Ordnung, erhalten die Kinder einen Aufkleber für ihr Rad – wie eine TÜV-Plakette. Die Kinder sind da schon sehr stolz drauf.“
Leider müssen bei den Prüfungen immer wieder Räder beanstandet werden. Obwohl der Termin der Prüfung auch den Eltern bekannt ist, lassen sich nicht alle noch einmal vorab das Rad der Kinder zeigen. Christina Geyer: „Im Havelland bin ich die Einzige, die die Fahrradprüfungen in den Schulen unmittelbar unterstützt. Aktuell führen wir diese Prüfungen in 33 Schulen des Landkreises Havelland durch. Rund 1.500 Schüler begleite ich so jedes Jahr. Wobei ich feststellen muss, dass die Teilnehmerzahlen jährlich zunehmen. Da ist ganz schön viel zu tun.“
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Im Parcours der praktischen Prüfung gibt es mehrere Stationen, an denen von den Schülern klar definierte Aufgaben bewältigt werden müssen. Die Polizeibeamten und die helfenden Eltern achten an den Stationen darauf, ob die Kinder von der richtigen Seite aus auf das Rad aufsteigen, ob sie sich korrekt zum Linksabbiegen in den Verkehr einordnen, ob sie sich umsehen und ob sie ein Handzeichen zum Abbiegen geben – und vieles andere mehr. In der Prüfung wird deutlich, ob die Kinder das theoretische Erlernte in der Praxis umsetzen können.
Der Fahrradpass ist so etwas wie ein „kleiner Führerschein“, erklärt die Prä-ventionssachbearbeiterin. Christina Geyer: „Man könnte sich den Fahrradpass als Polizist auch zeigen lassen, das passiert in der Praxis aber eher selten. Die Kinder sind da aber schon immer sehr stolz drauf, wenn sie ihn erst einmal in den Händen halten.“
Die Polizistin klärt die Kinder auch noch einmal auf, was im Straßenverkehr eigentlich erlaubt ist und was nicht. Freihändig mit dem Fahrrad fahren – verboten. Im Dunkeln ohne Licht fahren – verboten. Ohne Helm fahren – leider erlaubt. Christina Geyer: „Die Helmpflicht sollte dringend kommen. Ein Helm erhöht die Sicherheit der Kinder enorm und verhindert im Falle eines Falles Schlimmeres. Bei unserer Radfahrprüfung ist der Helm Pflicht, ohne Helm dürfen die Kinder nicht antreten. Wir empfehlen auch, in Dämmerungszeiten oder im Winter auf dunkle Kleidung zu verzichten, da man ansonsten leicht von den Autofahrern übersehen wird.“ Reflektoren an der Kleidung sind zu jeder Jahreszeit und insbesondere bei Dunkelheit zu empfehlen.
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Wie sieht es eigentlich mit dem Risiko aus, mit dem Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs zu sein: Sinkt das mit den Jahren aufgrund der zunehmenden Erfahrung? Christina Geyer: „Das Risiko ist bei Jugendlichen leider höher als bei kleinen Kindern. Das hängt sicherlich mit der Pubertät zusammen. Dann vergessen die Jugendlichen schon einmal alle über Jahre gelernten Regeln und gehen etwa auf dem Weg zur Schule unnötige Risiken ein. Zum Beispiel, wenn mehrere Radfahrer nebeneinander mitten auf der Straße fahren.“
Schülerlotse werden: Kinder sicher über Straße führen!
Tatsache ist: Die Kinder können sogar aktiv dabei helfen, den Straßenverkehr sicherer zu machen – als Schülerlotsen. Die Lotsen finden sich oft schon deutlich vor Schulbeginn vor dem Schulgebäude ein, um – ausgestattet mit entsprechender Signalkleidung und roten Kellen – den Mitschülern dabei zu helfen, wichtige Straßen vor der Schule sicher zu überqueren, um so einen Beitrag für einen sicheren Schulweg zu schaffen.
Christina Geyer: „Schülerlotse kann man in Brandenburg werden, wenn man wenigstens elf Jahre alt ist. Das ist in der 5. Klasse der Fall. Die Eltern müssen der Ausbildung zum Schülerlotsen zustimmen. Und natürlich müssen die Schüler die geistige Reife mitbringen. Im Havelland gibt es übrigens nur sieben Schulen, die Schülerlotsen einsetzen, das ist also nicht zwangsläufig bei jeder Schule so. Für die Polizei ist das gelebte Verkehrsunfallprävention. Die Schülerlotsen übernehmen Verantwortung und zeigen soziale Kompetenz. Schülerlotsen, das sind oft die Kinder, die sich schon an anderer Stelle sozial engagieren, etwa als Streitschlichter in der Schule oder als Helfer im Verein. Oft haben die Schülerlotsen auch ältere Geschwister, die das Amt schon vor ihnen bekleidet haben. Wir stellen fest: In der Regel ist der Schülerlotse das erste Ehrenamt der Kinder.“
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Die Schulleitung ist dafür verantwortlich, dass die Schulweglotsen vor ihrem Einsatz eine Ausbildung erhalten. Hierbei wird die Schule von der Polizei und der Verkehrswacht unterstützt. Die Ausbildung richtet sich nach dem Leitfaden „Schülerlotsen Land Brandenburg“. Die theoretische Ausbildung der Schülerlotsen erfolgt durch Frau Geyer in mindestens acht Unterichtseinheiten in enger Zusammenarbeit mit der Schule.
Um die praktische Ausbildung kümmert sich die Schule mit Unterstützung der Polizei – hier unmittelbar durch Frau Geyer vom Sachgebiet Prävention. Die Schule übernimmt die Einteilung der Schülerlotsen. Häufig ist in der Schule eine Lehrkraft mit der kontinuierlichen Ausbildung der Schülerlotsen beauftragt. Sie gewährleistet, dass den noch nicht so erfahrenen Lotsen eine erwachsene Aufsichtsperson zur Seite gestellt wird. Außerdem hilft sie dabei, die Lotsen auf die Praxis vorzubereiten – und gibt am Ende auch ihr „Okay“, wenn die Schüler ausreichend vorbereitet sind. Es müssen immer wenigstens zwei Schülerlotsen zusammenarbeiten, einer alleine darf sich nicht auf die Straße stellen.
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Christina Geyer: „Schülerlotsen dürfen nicht regelnd in den Verkehr eingreifen. Sie nutzen Lücken im Verkehrsstrom, um die wartenden Schüler über die Straße zu geleiten. Sie nutzen dabei das Prinzip der Freiwilligkeit bei den Autofahrern aus und warten auf geeignete Möglichkeiten.“
Die Polizistin weist auch darauf hin, dass die Schule kein Drive-In ist: „Leider drängeln manche ‚Elterntaxis‘ unsere Schülerlotsen einfach beiseite. Die Schülerlotsen notieren diese Vorfälle und die Kennzeichnen – und geben das an die Polizei weiter. Da kann es schon einmal vorkommen, dass wir eine Anzeige schreiben müssen.“ (Text/Fotos: CS)
Das Sachgebiet Prävention der Polizeiinspektion Havelland ist in der Schützenstraße 13, 14641 Nauen, Tel. 03321-400-1088 erreichbar. Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite www.polizei-beratung.de. Anzeigen, Hinweise sowie Meldungen etc. können auch unter www.polizei.brandenburg.de online abgegeben werden.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Wunsch nach einem sicheren Leben ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Ich bin davon überzeugt, dass sich Prävention auf Dauer für die Gemeinschaft auszahlt. Als Leiter der Polizeiinspektion Havelland freue ich mich sehr über die Chance, die verschiedenen Tätigkeitsfelder unserer polizeipräventiven Maßnahmen im Rahmen einer neuen Artikelserie in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ umfassend darzustellen. Die Berichte in dieser Ausgabe und in den folgenden Magazinen sollen Sie informieren und so zur Erhöhung Ihrer Sicherheit beitragen.
Lutz Gündel
Polizeidirektor, Leiter der Polizeiinspektion Havelland
Fotos der Schüler und Schülerlotsen wurden in der Geschwister-Scholl-Grundschule in Falkensee gemacht.
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 159 (6/2019).
Der Beitrag Die Präventionsseiten der Polizei: Folge 4 – Unfallprävention im Verkehr: Von Fahrradprüfungen und Schülerlotsen erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.