Benjamin Fredrich kommt aus Greifswald und hat eine echt schräge Idee: Er möchte ein Magazin gründen und es soll „Katapult“ heißen. Mit spontan engagierten Mitstudenten, jeder Menge Schulden und einem blinden Gottvertrauen in die eigene Genialität entsteht im März 2015 das „Magazin für Eis, Kartografik und Sozialwissenschaft“. Dem liegt eine simple, aber geniale Idee zugrunde: Die Naturwissenschaftler bringen nur deswegen so tolle Magazine an den Kiosk, weil sie jede Menge bunter Fotos zur Verfügung haben, um ihre Artikel zu illustrieren. Die Sozialwissenschaftler leider nicht.
Das „Katapult“-Magazin setzt deswegen auf bunte Diagramme, Karten und Schaubilder. Die machen trockene Zahlen auf einen Blick verständlich – und zeigen so z.B. auf, in welche Länder man gehen müsste, wenn der eigene Weg dahin führen soll, „wo der Pfeffer wächst“. „Katapult“ macht aus dem Vermögen der fünf reichsten Männer der Welt eine Grafik, bringt Corona und die AfD in einer Karte zusammen und zeigt visuell auf, wie es um die Lärmbelästigung von Meerestieren steht.
Chef Benjamin Fredrich gibt sich gegen den Strich gebürstet. Er ist schnell auf der Palme und kennt dann nur noch eine Richtung – aggressiv nach vorn. Seine Editorials in „Katapult“ künden von immer neuen Grabenkriegen – vor allem gegen Plagiateure, die seine Karten und Ideen klauen.
Die Lust darauf, auch als Journalist nicht mit allen gut Freund zu sein, sondern gern auch die aufdeckende Arschloch-Rolle einzunehmen, zeigt sich in der täglichen Arbeit. „Katapult“ visualisiert die Missbrauchsfälle der katholischen Kirche ebenso wie die Orte, an denen Flüchtlinge im Meer gestorben sind, weil es keine ausreichende Seenotrettung gibt.
Seit 2015 ist „Katapult“ bereits 20 Mal veröffentlicht worden, die Magazine erscheinen alle drei Monate neu und sind im Schnitt 100 Seiten dick. Die Auflage ist explodiert, jedes „Katapult“ wird inzwischen 120.000 Mal gedruckt. Damit gilt das Heft als „wachstumsstärkstes Magazin Deutschlands“.
Wie konnte es dazu kommen, wo doch alle Finanzberater vom Print abgeraten und gesagt haben, so etwas könne man nur in Hamburg oder Berlin machen, aber nicht in Greifswald?
Gründer Benjamin Fredrich hat den Werdegang von „Katapult“ aufgeschrieben – in seinem Roman „Die Redaktion“, der im frisch gegründeten Eigenverlag erschienen ist. Auf knapp 250 Seiten schreibt Fredrich unfassbar spannend und unterhaltsam seine echt chaotische Gründergeschichte auf. Schräge Praktikanten, abenteuerliche Bürostandorte, jede Menge Visionen und zahllose Fredrich-typische Auseinandersetzungen machen das Buch zu einem Muss für alle, die ebenfalls Lust darauf haben, sich zu verwirklichen.
Die klare Aussage des Buchs (18 Euro, www.katapult-magazin.de): Vergiss Businesspläne, den eigenen Kontostand, Widerstände und kluge Ratschläge. Mach einfach. Jetzt. Sofort. Wird schon klappen. Denn nur so „ist es dazu gekommen, dass wir heute mehrere Dutzend Festangestellte in der Redaktion haben, von denen fast keiner ein richtig fettes Arschloch ist.“
Da die Gründergeschichte mit „Die Redaktion“ noch lange nicht auserzählt ist, wäre ein Folgeband äußerst wünschenswert. (CS / Bild: Katapult)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 82 (1/2021).
Der Beitrag Buch-Rezension: Die Redaktion erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.